Steinkuhle

Schnellen Schrittes hatte die Schülerin versucht, dem Kater zu folgen, was nicht so einfach war wie sie es sich vorgestellt hatte. Der Boden war glatt, genau wie damals als sie das Schwimmen erlernt oder eben versucht hatte, zu schwimmen. Ihre Krallen bohrten sich zusätzlich in den Boden, damit sie nicht begann kläglich hinter dem Krieger her zu rutschen, der so freundlich gewesen war sie mitzunehmen.
Als sie die Steinkuhle erreichte, zögerte Muschelpfote kurz und schluckte als sie sah, wie sie dort hinein kam. Vorsichtig setzte sie ihre Pfote vor, versuchte sicher unten bei Abendpelz anzukommen. Gut im Klettern war sie sicherlich nicht, weshalb sie froh war, dass es nur eine kleine Senke und keine neue Ebene im Boden war. Die Steine waren zudem unangenehm glatt und so fürchtete sie einen Moment, ihre Ballen aufzureißen, doch nichts dergleichen geschah.
"Hier bin ich", sprach Muschelpfote schließlich das offensichtliche aus und lächelte Abendpelz erwartungsvoll an. Sie war stolz darauf, im Ansatz mit ihm mithalten zu können und war nun gespannt darauf, was er ihr zum Kämpfen sagen würde. Würde sie ihn angreifen? Würde er sie angreifen? Oder würden sie erst einmal etwas theoretisch bleiben?
"Wie fangen wir an?", war die Frage, die ihr am schnellsten einfiel. Natürlich hätte ihr auch etwas besseres einfallen können, doch es war nicht an ihr, den Ausbilder mit Vorschlägen zu löchern. Ganz sicher würde er wissen, wie er vorgehen wollte und darauf würde sie im Moment vertrauen. Dennoch schlug ihr Herz bereits schnell in Erwartung, ohne überhaupt zu wissen, ob er sie sofort mit einem Kampf konfrontieren wollte, oder erst einmal ihre Kauer erarbeitete oder gar erst einmal alles durchkaute.

"Das stimmt allerdings", pflichtete die Schülerin dem Kater zu, als er meinte, dass ihre Ankunft nicht zu übersehen gewesen war. Verlegen senkte sie kurz den Kopf, waren es heute nicht bereits genug Peinlichkeiten gewesen? Doch Muschelpfote riss sich zusammen und ergänzte: "Ich wollte nur anmerken, dass ich auch wirklich bereit bin und nicht noch versuche, Halt zu finden."
War dies bereits zu frech? Die gefleckte Schülerin konnte Abendpelz nicht sonderlich gut einschätzen, doch sie versuchte es mit einem erfreuten Lächeln und hörte seinen Worten danach genau zu. Als sie seinen Tipp hörte, schaute sie auf ihre Pfoten hinab und spreizte die Zehen. Nachdem sie sie wieder gesenkt hatte und das Gefühl auf dem Boden inspizierte, war ihr klar, dass sie nicht häufig mit gespreizten Zehen laufen wollte - es fühlte sich einfach nicht natürlich an.
"Ich werde es mir merken", miaute sie trotzdem, ließ ihre Zehen jedoch wieder in eine normale Position gleiten. Auf seine Frage hin allerdings schwieg Muschelpfote wieder, überlegte kurz. Sie hatte mit Karpfenkralle damals das Kauern geübt, daran erinnerte sie sich. Es war jedoch für die Jagd gewesen, vermutlich nicht das selbe wie wenn sie kämpfte. Als Junges hatten sie natürlich auch immer wieder solche Spiele gespielt, die gefleckte Schülerin musste allerdings zugeben, dass sie gar nicht viele Freunde hatte, da die Zeit es nicht mehr zugelassen hatte. Sie schüttelte den Kopf.
Als Abendpelz sie dazu aufforderte, ihre Kauer vorzuführen und zu zeigen, wie sie sich an einen Gegner anschleichen würde, nickte sie und ließ sich Selbstbewusst in ihre erlernte Jagdkauer fallen. Allerdings versuchte sie einen stabileren, nicht mehr so leisen, Stand zu erhalten, indem sie die Pfoten auf Schulterhöhe hatte. Nachdenklich hob sie den Schweif, um an weiterer Stabilität zu gewinnen, dann begann sie zu schleichen als würde sie normal laufen - allerdings gekrümmter. Konzentriert, aber mit offensichtlich fragendem Ausdruck, beobachtete Muschelpfote dabei den Krieger. War ihre Idee denn auch eine richtige Idee gewesen?

Die Ohren der gefleckten Schülerin zuckten, als sie dem Krieger zuhörte. Sie versuchte mit aller Kraft, dass sie den Stand beibehielt, den sie eingenommen hatte, und das sie sich seine Worte merkte. Muschelpfote war nun bereits älter und sie legte sehr viel Wert auf ihr Training, besonders nach ihrem Mentorenwechsel. Ungern wollte sie diese schöne Zeit abbrechen, andererseits wünschte sie sich nichts mehr als einen neuen, aufregenderen Teil ihres Lebens kennenzulernen.
Ein Lächeln legte sich auf das Gesicht der hübschen Schülerin, als sie Abendpelz' Lob hörte. Erfreut warf sie ihm kurz einen Blick zu, versuchte dabei den seines Auges zu erwischen und ihm klar zu machen, wie sehr sie das Kompliment berührte. Es war schön zu hören, dass auch ein anderer Krieger ihre Fertigkeiten als gut empfand.
Der Kater allerdings ließ nicht mehr lange auf sich warten, sondern ließ sich in seine Kampfkauer fallen. Sein Auftreten wirkte sogleich viel aufregender und kurz musterte sie seine Kauer, die sie gerne so könnte. Doch Muschelpfote gab sich mit ihrer Kauer zufrieden, stolz das er sich gleich auf den nächsten Teil ihres gemeinsamen Trainings konzentrierte.
Versuchsweise machte sie einige Schritte, spürte, dass sie sicher stand. Nur ungern wollte die Schülerin ihr Gleichgewicht beim Laufen verlieren, auch wenn er ihr dann sagen könnte, was sie falsch machte. Alles hatte nun eben eine Schatten- und eine Sonnenseite, die Frage war nur, welche Seite war welche?
Länger wollte Muschelpfote den Kater allerdings nicht warten lassen. Sie spannte sich an, musterte ihn noch einmal und wählte seinen Rücken als Ziel. Doch wie sollte sie das angehen? Ihr Blick legte sich auf seine Pfoten, waren diese nicht einfacher? Sicher nicht, sie würde ihm direkt in die "Krallen" laufen. Was würde Zenitstürmer wohl an ihrer Stelle machen? Tief atmete die kleinere Kätzin durch, dann schoss sie vor und sprang vor dem Kater ab, versuchte auf seinem Rücken zu landen und sich an diesem festzuhalten.

Ihr Plan scheiterte. Mitten im Sprung bäumte sich der Kater auf und wehrte die kleine Schülerin ab. Mit brummendem Schädel taumelte sie zurück, hatte allerdings noch lange nicht aufgegeben. Dennoch, was wäre gewesen, wenn ihr Mentor sie gesehen hätte, oder Zenitstürmer? Sie musste unbedingt damit aufhören, an den Kater zu denken! So lange war er schließlich nicht in ihrem Leben und hatte auch nicht so viel darin zu bestimmen wie ihr Mentor.
Muschelpfote nickte, als sie die Worte des Katers hörte. Sie hatte bereits öfter von dieser Art des Kampfes gehört, doch hatte ihre Existenz bei ihrem Angriff vergessen. Es störte sie, dass sie so vergesslich gewesen war. Sie wollte es besser machen und beweisen, dass sie ihn erfolgreich angreifen könnte. Ungern wollte sie es ansprechen, doch er war halbblind, konnte es für sie so schwer sein, ihn anzugreifen?
Natürlich! Er lebt schon lange ohne das Auge, er weiß genau, wie er mich abwehren muss!
Plötzlich sprach er davon, das er ihr genau das zeigen würde. Mit großen Augen und total unvorbereitet beobachtete sie, wie er sich ihr näherte und plötzlich eine Drehung machte, mit dem selben Schwung aber auf sie zuraste. Ihr Körper reagierte instinktiv, sodass sie gerade noch beiseite sprang, doch er traf ihren Körper trotzdem zu Teil, weshalb sie über den Boden rollte. Schnell erhob sich die Schülerin, erbost über die erneute Niete, doch sie beruhigte sich schnell. Das würde sie schon noch schaffen!
"Noch einmal", forderte sie lächelnd und bereitete sich vor, wollte es noch einmal versuchen. Sie würde es gewiss schaffen, wenn Abendpelz ihr noch einen Versuch gab. Muschelpfote war bereits älter und bereit eine Kriegerin zu sein - vorausgesetzt, ihr Mentor segnete ihren Trainingsstand ab. Vielleicht würde er ihr auch noch gute Tipps geben können, vielleicht sogar ihr neuer Freund... dessen Namen sie nicht denken durfte, denn sie wollte nicht unkonzentriert sein!

Ein Stich ins Herz war das Kopfschütteln des Katers, doch als sie erst einmal einen Blick gen Himmel richtete, verstand sie wieso. Der Mond bahnte sich bereits auf den Himmel und verscheuchte die letzten Sonnenstrahlen, verdunkelte ihre Umgebung und machte sie sogleich kälter. Sehnsüchtig sah sie zu den Sternen, in welchen die meisten ihrer Familie bereits waren. Ihr Blick verfinsterte sich kurz, doch bei den Worten des Katers wurde es von einem Lächeln abgelöst. Gerne wollte sie den Fluss bei Mondschein sehen, auch wenn sie gewiss noch viele Möglichkeiten dazu bekam.
Sie beobachtete, wie der halbblinde Kater geschickt wie sonst andere Katzen es nicht konnten voraus lief. Muschelpfote zog nervös die Lippen unter ihre Zähne, würde dieser Abstecher nicht lange dauern? Sie wollte ihren Mentoren nicht weiter besorgen, sollte er denn bereits im Lager sein, denn ihre eigentliche Aufgabe war es gewesen, schlafen zu gehen. Sie hatte diese aber nur teilweise beachtet, hatte nämlich etwas Ruhe gefunden und Kraft geschöpft, gewiss würde sie es bei ihrer Heimkehr auch können. Ob es ihm gut ging? Sicherlich.
Sehnsüchtig sah sie zu den Sternen, ob ihrem Freund dieser Ausblick gefallen würde? Sicher nicht, sie waren doch so unterschiedlich, doch ungern wollte sie ein Urteil für ihn Fällen. Wenn sie Zenitstürmer im Lager sah, würde sie ihn einfach fragen.