Ihre Pfoten trugen sie voran, bis sie an einer Kreuzung stoppten. Alles sah so gewohnt, aber doch anders aus. Schmalere Straßen, weniger Monster und immer größer werdende Gärten wechselten sich hier ab. So viel ruhiger als die belebte Umgebung, in der ihr eigenes Zweibeiner-Haus stand.
Ein Windstoß ließ die Ränder des weißen Tuches flattern, welches sie sich als Kostüm übergestreift hatte. Sie befand sich auf dem Weg zu einer Halloween-Feier. Bei ihrem Namen - Geist - war die Wahl des Kostüms recht naheliegend gewesen. Ihre Freunde hatten ihr von der Feier erzählt und ihr auch den Weg beschrieben. Irgendwo am Ende des Zweibeinerortes trafen sie sich. Nie war Geist so weit von ihrem eigenen Zuhause fort gewesen. Gut, so weit jetzt nun auch wieder nicht, aber normalerweise hielt sie sich eher an den Häuserblock in dem sie lebte.
Unsicher blickte sie erst die eine, dann die andere Straße entlang. Erstere schien genauso weiter zu gehen, wie die Straße, die sie bisher entlang gelaufen war. Die Zweite wurde in der Entfernung immer Grüner und verlor sich irgendwann. Das musste wohl der Ortsrand sein, oder? Entschlossen wandte sie sich dieser Richtung zu und lief weiter.
Schon bald waren die Häuser nach und nach immer mehr Bäumen gewichen und aus der Straße war ein erdiger Pfad geworden. War die Feier wirklich so weit am Rand des Ortes? War dies überhaupt noch Teil des Zweibeinerortes? Unsicher blickte sie sich um.

Ihr wehendes Kostüm erschwerte ihr ein wenig die Sicht, aber dennoch musste sie sich eingestehen, dass es hier keine Häuser mehr gab. Geist wollte umdrehen, aber musste feststellen, dass sie nicht mehr erkannte, aus welcher Richtung sie gekommen war.
Eine leichte Panik flatterte in ihrer Brust. Sollte sie rufen? Waren die anderen Katzen vielleicht ganz in der Nähe? Doch eigentlich wusste sie, dass sie sich verlaufen hatte. Was sollte sie nun tun? Zweifelnd schlug sie eine Richtung ein, von der sie glaubte, dass es die Richtige sein könnte. Vielleicht...
Langsam lief sie durch die Bäume. Ihre Pfoten raschelten im trockenen und bunten Laub. In dieser sonst stillen Umgebung fühlte sich das Geräusch für sie unglaublich laut an. Ihr Kostüm flatterte weiter im Wind. Zuvor hatte sie es noch lustig gefunden, da es ihrem "Geist" etwas mehr Leben einhauchte. Doch nun fühlte es sich so an, als wollte der Wind sie vor sich her treiben; sie noch weiter von dem Ort entfernen, den sie doch eigentlich finden wollte.
Und dann noch all diese Sträucher! Ständig meinte sie ein leises Knacken zu hören, dass sich ihr langsam näherte. Sicher war dies nur ihre Einbildung... ganz sicher...

Ein lautes, erschrecktes Jaulen entfuhr ihr, als das Rascheln - welches sie sich doch nur einbildete! - sie plötzlich ansprang! Durch ihr Kostüm konnte sie weder richtig sehen wer sie da angriff, noch erkennen warum. In ihrer Verwirrung stolperte sie ein paar Schritte zurück, wobei sie versehentlich auf ein Ende des Tuches trat. Unsanft landete sie auf ihrem Hinterteil, wodurch das Kostüm ihr schließlich vom Kopf rutschte. Einen körperlichen Angriff erwartend kniff sie die Augen zusammen und legte verängstigt ihre Ohren an...
...Doch der Angriff kam nicht.
Vorsichtig öffnete sie ein Auge zu einem Spalt, ehe sie gleich darauf Beide überrascht aufriss. Das waren ja Katzen! Erleichterung überflutete sie. Sie hatte scheinbar doch die Anderen gefunden! Sicher konnten diese sie nun zu dem großen Garten führen, wo die Feier stattfand. Zwar war sie verwirrt, dass die drei keine Kostüme trugen, aber vielleicht hatten sie diese auch einfach nur kurz abgelegt.

"Hallo!", maunzte sie und fragte sogleich: "Geht ihr auch zu der Feier? Könnt ihr mir den Rest des Wegs zeigen?"
Doch anstatt eine freundliche Antwort zu geben, sahen die fremden Katzen sich nur fragend an. Ihre Schwänze waren neugierig aufgerichtet; die Ohren gespitzt. Waren es doch keine weiteren Gäste? Aber wer waren sie dann?