Schlucht an der Weide

Es zerriss ihr das Herz, nun wieder Abschied von ihrem Liebsten nehmen zu müssen, doch ihr war klar, dass er Recht mit dem, was er sagte, hatte.
Leidenschaftlich und bekümmert drückte Perlenglanz sich ein letztes Mal an ihn und leckte ihm liebevoll über die Brust.
»Ich liebe dich auch...«, hauchte sie und zwang sich zu einem kleinen Lächeln, bevor sie sich von Enzo abwandte.
Sanft stupste Sie Milchjunges an, der sich noch immer nicht in Bewegung gesetzt hatte. »Komm, lass uns zurückgehen.«
Die Kätzin packte ihn am Nacken und warf Enzo einen letzten Blick über die Schulter zu, während sie bereits dabei war, in Richtung des FlussClans Lager zu gehen.

Angesprochen: Enzo, Milchjunges

- Lavendeljunges -

Völlig durchfroren hatte sich die Kleine durch den Schnee gekämpft, verbissen genug, um nicht quengelig zu werden und ihrer Mutter stattdessen an den Fersen zu bleiben. Zwischen hatte Lavendeljunges die Spur verloren, doch zum Morgengrauen fand sie den Geruch ihres Bruders sowie Perlenglanz' wieder, was ihr neuen Ansporn gab.
Neugierig war sie nur unweit von den beiden sowie einen ihr fremden Kater stehengeblieben, um das Gespräch zu belauschen, aus dem sie erschloss, dass es sich hierbei um ihren Vater handelte.
Vor Erstaunen weiteten sich ihre Augen, doch sie behielt Stillschweigen und versteckte sich ein wenig, bis ihre Mutter verschwunden und der Streuner alleine war.
Es war kalt und windig, aber nichtsdestotrotz hielt sie mit eisernem Willen durch. Entschlossen schritt sie auf Enzo zu, unbeirrt und mit einem emotionslosen Gesichtsausdruck.
Wenn es ihn verblüffte, dass eine halbwüchsige Kätzin so selbstverständlich auf ihn zuging, dann bemerkte sie es nicht. Wenn sie ehrlich war, war sie selbst ein wenig angespannt wegen der ganzen Sache.
Doch Lavendeljunges wollte den Kater kennenlernen, der ihr Vater sein sollte. Derjenige, den nur Milchjunges sehen durfte. Hass flammte in ihr auf.
»Wie heißt du?«, fragte sie ihn ohne Umschweife und blickte ihm direkt in die Augen.

Erwähnt: Milchjunges, Perlenglanz
Angesprochen: Enzo

Unverwandt musterte sie ihn und leute den Kopf leicht schief, während sie zu erahnen versuchte, was er dachte.
»Ich denke, ich bleibe bei Enzo«, erwiderte die junge Kätzin ruhig, während sie ihm ins Innere folgte. »Mir bedeutet das Wort Vater nichts.«
Genauso wenig wie mir Mutter etwas bedeutet, fügte sie in Gedanken hinzu, wobei sie nicht nur den Begriff an sich sondern auch wirklich Perlenglanz selbst meinte. Doch sie hielt es nicht für sonderlich intelligent, dies in Enzos Anwesenheit anzumerken. So wie er und Perlenglanz miteinander rumgeturtelt hatten, würde sie sich damit nicht beliebt machen.
»Ich bin Lavendeljunges«, stellte sie sich mit einer solchen Selbstverständlichkeit vor, während sie ihren flauschigen Hintern in das Nest, das er ihr bereitgestellt hatte, absetzte. Den Mäusen warf sie nur einen flüchtigen Seitenblick zu. Auch wenn sie hungrig war, wollte sie sich das nicht anmerken lassen.
»Wieso bist du nicht im FlussClan?« Sie hielt es für umständlich, lange um den heißen Brei herumzureden.

Erwähnt: Perlenglanz
Angesprochen: Enzo

- Perlenglanz -

Überrascht schaute sie den Kater an, der wie aus dem Nichts vor ihr und ihrem Jungen aufgetaucht war und nicht nur ihrem geliebten Enzo ähnlich sah, sondern sogar Ähnlichkeiten im Geruch mit ihm hatte.
Augenblicklich sträubte sich Perlenglanz' Fell und fauchend blickte sie den Fremden an.
»Es wird wohl seine Gründe haben, wieso dein werter Bruder es nicht für nötig erachtet, dich auch nur mit einer Silbe zu erwähnen«, provozierte sie ihn. Sie war müde und fror; nichts sehnlicher wünschte sie sich, als sich endlich in ihrem Nest zusammenzurollen.
Die beängstigende Präsenz, die von dem Streuner ausging, schüchterte sie einerseits ein, anderseits entfachte es in ihr auch den unbändigen Willen, sich nichts von ihm gefallen zu lassen und ihm die Stirn zu bieten.
»Was willst du?«
Schützend trat sie vor Milchjunges.

Erwähnt: Milchjunges, Enzo
Angesprochen: Damon

Geziert schnupperte sie an der Maus, bevor sie langsam ihr Mäulchen öffnete, um einen Bissen zu nehmen. Sie wollte vor Enzo nicht zugeben, dass es ihre erste Frischbeute war - und dass es dem Clan an solchem fehlte, wie sie mitbekommen hatte.
Ein entzückter Ausdruck huschte über ihre Miene, während sie das zähe Stück Fleisch auf ihrer Zunge vergehen ließ, doch Lavendeljunges riss sich schnell wieder zusammen und lauschte seiner Erzählung, ohne allzu wissbegierig auszusehen.
Geflissentlich überhörte sie die Aussage, dass er ihre Mutter liebte. Denn sonderlich nachvollziehen, konnte sie es nicht.
»Es ist langweilig«, miaute sie, ohne lange darüber nachdenken zu müssen. »Und die sind alle so engstirnig. Zu viele Regeln, zu viele Katzen, die denken, sie wären etwas Besonderes, weil sie bereits Älter und Krieger sind.«
Neugierig funkelten ihre Augen auf. »Ist das Streunerdasein schön?«

- Perlenglanz -

Verängstigt wich die schöne Kätzin zurück und wäre beinahe über Milchjunges gestolpert, um den sie sich noch immer sorgte.
Schmerzerfüllt wimmerte Perlenglanz, als Damon seine Krallen in ihr Fleisch rammte. Sie war noch nie eine gute Kämpferin gewesen, weshalb es aussichtslos war.
Auch wenn es an ihrer Würde kratzte, rief sie nach ihren Geliebten. »Enzo! Oh, Enzo!«
Er war ihre letzte Hoffnung - nur er konnte es schaffen, seinen wahnsinnigen Bruder umzulegen und wie ein heldenhafter Held zu ihrer Hilfe eilen.