Laubkuhle

Missbilligend beobachtete die Kriegerin wie Rauchtatze mehr oder weniger zusammen zuckte, da er tatsächlich nicht so sehr aufgepasst hatte wie es ihr lieb gewesen wäre. Dennoch hatte er etwas zu sagen. Worte, die Sprossenherz einen Moment überraschten, wegen ihrer Härte. Sie legte den Kopf schief während sie überlegte, wie diese harsche Kritik einzuordnen war: zum einen hatte er Recht, denn was sie getan hatte gehörte tatsächlich zu den häufigsten Tricks im Kampf, doch—- ehe sie den Gedanken fortführen konnte, änderte sich Rauchtatzes Tonlage ein wenig. Seine abschließenden Worte waren doch eher positiv, man könnte sie sogar, mit etwas Phantasie, als Lob einordnen.

Ein wenig enttäuscht, dass der Kater es scheinbar recht eilig hatte wieder ins Lager und vermutlich dann auch direkt in sein Nest zu gelangen, doch ganz übel nehmen konnte sie es ihm nicht. Der Graue wirkte doch wirklich relativ erschöpft, ein wenig Schlaf vor dem morgigen Tag würde ihm bestimmt gut tun.
„Sehr gerne,“ sagte sie sanft, und nickte dann auch noch Pythonpfote zu, die sich wacker geschlagen hatte, ehe auch sie sich auf den Weg in Lagerrichtung machte.

Laubkuhle --> SC Lager

Kiefernwald [SC Territorium] -> Laubkuhle [SC Territorium]

Nachdem Krähenstaub so ungewöhnlich viel gesprochen hatte, und vor allem auch einen schwerwiegenden Themeninhalt gewählt hatte, war der restliche Weg in die Laubkuhle recht still verlaufen. Ab und an verlangsamte er seinen Schritt, sodass er Schwalbenpfote nicht zurückließ. Dennoch dauerte es nicht lange, ehe sich der Boden unter seinen Pfoten leicht veränderte. Er machte sich ein wenig Sorgen um die Tatsache, dass es noch immer etwas windig war. Die Äste wackelten bedrohlich, doch der Kater war zuversichtlich, dass sie auch im Falle eines Bruchs nicht die Mitte der Kuhle erreichen würden.
Er warf einen kurzen Blick auf seine Schülerin, versuchte zu erkennen was für einen Gesichtsausdruck sie nun trug. Wie würde ihre Konzentration sein? Wenn ich ihr das Gefühl gebe, dass ich ihr bereits jetzt viel zutraue, dann hat sie sicherlich auch mehr Freude am Training… allerdings sollte sie nicht übermütig werden. Vor Allem wenn Rabenjun- Rabenpfote noch so jung ist.
“Hier sind wir schon,“ brummte er laut, und schnippte mit dem Schweif in Richtung der Kuhle vor ihnen.

Mit kurzen Schritten glitt der Kater ins Zentrum der Laubkuhle und nahm platz. Erneut prüfte er seine Umgebung, wollte sicher gehen, dass er sich nicht irrte – denn er hatte das Gefühl, dass der Wind nachließ.
“Lass uns kurz auf die anderen beiden warten. Dann fangen wir aber sofort an – bloß kein Tageslicht verschwenden. Am besten zeigst du mir direkt am Anfang mal, was du überhaupt schon kannst.“
War das okay? Zu hart? Er zwang sich der jungen Katze erneut ein Lächeln zu schenken.

Mir entgeht nicht, wie unsicher Schwalbenpfote bezüglich des Alters & der Größe ihres Gegenübers wirkt. Unwilkürlich stimme ich ihrem zweifelnden Blick zu; merke, wie auch bei mir der Magen leicht sinkt. Rabenpfote - und beim denken ihres Namens muss ich mich selbst anstrengen nicht auf -junges zurückzufallen – wirkt viel zerbrechlicher als meine Schülerin, obwohl auch diese nicht annähernd so groß ist wie die meisten Krieger des Clans, und vor allem nicht an mich selbst heranreicht – wo ich doch selbst den Kopf neigen muss um mit ihr auf Augenhöhe zu stehen.
Umso witziger finde ich Schwalbenpfotes Reaktion auf meine Worte. Sie stockt; wartet ab. Es dauert eine Sekunde ehe sie in Bewegung zurückverfällt, und genau das tut worum ich sie gebeten habe. Meine Schnurrhaare zucken amüsiert während ich sie beobachte, doch zugleich merke ich, dass ich mit ihr jemanden erwischt habe, der durchaus Potential verspricht.
Was ihr wohl durch den Kopf geht? Sicher zählt sie mental ihre Stärken auf, und beißt sich dann dennoch selber auf die Zunge weil die Ideen die ihr kommen nicht das sind, was man vor einem Mentor erzählt. Solches Verhalten habe ich schon einmal mitbekommen, bei Sprossenherz die auch, als ich sie damals noch trainierte, ständig ihre eigenen Gedanken zu hinterfragen schien. Bloß keinen kindischen oder schlechten Eindruck hinterlassen.

Dann aber ändert sich meine Wahrnehmung von der hellen Schülerin etwas. Sie scheint plötzlich selbstbewusster, dann verändert sie ihre Haltung drastisch. Durch die ausgefahrenen Krallen verschafft sie sich mehr Stabilität, und auch sonst kann ich mit den Augen ablesen, dass ihre Muskeln angespannter sind als zuvor. Es ist nicht ganz das was ich erwartet hatte, als ich ihr die anweisung gab mir zu zeigen, was sie kann. Viele Schüler – vor Allem jemand wie Molchschatten hätten es sofort mit einem Angriff versucht. Doch mir gefällt was ich sehe. Mir gefällt es, dass mich trotz der zahllosen Blattwechsel meines Lebens auch heute noch etwas überraschen kann.
“Das ist gar nicht schlecht,“ versichere ich ihr. „Zumindest augenscheinlich. Wir müssten ausprobieren wie gut du damit einem echten Angriff standhalten kannst. Das wäre ohnehin ein guter Kompromiss für das erste Training. Vielleicht ist es weniger aufregend, wenn du die Verteidigung übernimmst, aber dann ist auch euer Größenunterschied nicht mehr so drastisch.“

Als ich aufhöre zu sprechen, vernehme ich Mohnsterns Worte an meiner Seite. Sie hat mich erwähnt – dadurch horche ich auf. Das ist aber nicht der Grund warum ich weiter zuhöre; es geht gar nicht um mich – es ist nur so, dass ich auf sonderbare Art begeistert bin, davon, wie sie spricht, und wie sie es schafft mit so einfachen Worten perfekt das auszudrücken, was man jungen Schülern immer als erstes beibringen sollte. Etwas, das ich selbst über die Jahre ab und an ausgelassen habe; das was mir als unwichtig erschien, obwohl es doch eigentlich der Grundsatz für ein Training ist: jeder hat Stärken; und jeder kann etwas lernen, egal wie groß oder klein er ist; egal ob er eigentlich besser jagt als er Kämpft. Genau so etwas sollte auch Schwalbenpfote hören. So etwas braucht sie.
„Ich weiß nicht wie viel von dem, was unsere Anführerin gerade gesagt hat, bei dir angekommen ist, aber sie hat recht. Es kann sein, dass du Gegner triffst die einen ganz anderen Körperbau haben als du – die vielleicht augenscheinlich einen ‚Vorteil‘ besitzen. Aber wenn du lernst so zu kämpfen, dass du deine eigenen Stärken komplett nutzt, dann wirst du immer eine Chance haben.“

Ich nicke Mohnstern kurz zu.
„Ich glaube, Schwalbenpfote hat eine Verteidigungshaltung, die sie unbedingt testen sollte. Vielleicht können beide Schüler jeweils einmal versuchen, dem Angriff des anderen standzuhalten? Scheinbar hat auch Rabenpfote nämlich erst einmal Bekanntschaft mit ihren Muskeln, ihrer Standhaftigkeit gemacht.
„Keine Krallen, keine großen Tricks. Einfach nur einmal versuchen, den anderen umzuwerfen. Und dann andersrum.“