Mooskuhle

cf: WolkenClan-Lager

Nebelherz hatte Recht. Kämpfen gehörte genauso zu den Grundlagen für Schüler wie das jagen und das patrouillieren an Grenzen und dennoch war sie sich unsicher, ob sie das alles überhaupt bewältigen konnte. In Aussicht auf die Erkundung des Territoriums wollte sie diese Herausforderung jedoch gerne annehmen. So folgte sie dem weißgrauen Kater munter durch das Territorium, während Schneeflocken wie dicke Fellkugeln vom Himmel regneten und sich fast unmerklich über ihren Pelz legten. Obwohl es kalt war, fröstelte die Kätzin nicht. Sie mochte die Tristheit der Blattleere zwar nicht leiden, doch sie mochte den Schnee und die unzähligen Flocken, die im seichten Wind umeinander tanzten.
Es dauerte nicht lange, bis sie die Mooskuhle erreichten. Auch diesen Ort hatte der Schnee bereits eingenommen und von der charakteristisch weichen, grünen Fläche war kaum noch etwas zu sehen. Neugierig setzte Hummelpfote eine Pfote in den Schnee, sackte leicht ein und spürte die kalten Eiskristalle unter ihren Pfoten knistern. "Ich werde definitiv dran denken, Nebelherz", miaute sie ernst. Durch ihre Sorge um Blattpfote hatte sie ihr Training ganz außer Acht gelassen, dabei wäre diese einfache Übung kein Problem, wenn sie vor dem schlafen gehen hin und wieder daran dachte. Doch ihr Mentor klang nicht verärgert. Er meinte, sie würde es auch so schaffen und Hummelpfote war erleichtert darüber.

Die orangene Kätzin lauschte aufmerksam Nebelherz Aufgabenstellung. Sie würde also zuerst Verteidigung lernen, nicht das schlichte angreifen. Diese Tatsache stimmte sie schon etwas fröhlicher, weshalb sie den Anweisungen ihres Mentors enthusiastisch folgte. Ein fester Stand. Unsicher, wie dieser aussehen musste, begab sie sich in eine Art Kauerstellung. Die kurzen Beine hielt sie angespannt, den Schweif gerade. Dennoch, der moosige Boden erlaubte keinen festen Stand. Mehrmals probierte sie herum, bis sie sich sicher sein konnte, das nichts sie umwarf und selbst als sie sich entschieden hatte, fühlte sie sich immer noch nicht wirklich stabil.
"So gut?", maunzte sie trotzdem und blickte dem weißgrauen Kater aus fragenden Bernsteinaugen an. Wenn sie etwas falsch machte, würde er sie sicherlich korrigieren. "Der Boden ist etwas zu weich", sprach sie ihre Bedenken aus "Er federt so." Sicherlich, so glaubte Hummelpfote, konnte man das irgendwie umgehen und den Trick daran würde Nebelherz ihr gleich zeigen. Sie war jedenfalls erpicht darauf, ihn zu erfahren.

Hummelpfote legte leicht den Kopf schief, während sie den Erklärungen des weißgrauen Katers lauschte. Anspannung war also nicht gut? Knapp schaute sie an ihrem Körper hinab, ehe sie wieder aufschaute und ihren Mentor neugierig anblickte. Doch bevor sie nach dem 'wieso' fragen konnte, demonstrierte er ihr ihren Fehler. Ein leichter Stoß an die Schulter verriet ihr, was er meinte. Schnell geriet sie ins Straucheln, fiel nicht hin, aber stolperte ein paar Schritte zu Seite. Durch die Anspannung in ihren Beinen konnte sie dem Stoß wenig entgegenwirken weshalb sie nun glaubte zu verstehen, wie ein fester Stand wirklich funktionierte. Man musste auf jede Variable vorbereitet sein, flexibel und gleichzeitig stabil.
"Gut", entwich es ihr schlicht und sie positionierte sich neu. Diesmal spannte sie nicht ihre Beine an, verhakte jedoch die Krallen im eisigen Moos. Ein leichter Schauder lief ihr über den Rücken als das schmelzende Eiswasser sich zwischen ihren Zehen sammelte, doch sie gewöhnte sich schnell an dieses Gefühl und presste die Lippen aufeinander.
"Ich denke jetzt bin ich bereit."
Aufmerksam richtete sie ihren dunklen Bernsteinblick wieder auf, gespannt was als nächstes kommen würde.

Die kleine Schülerin lächelte nervös über das Lob ihres Mentors. Ja, die Stellung erschien ihr passend. Auch wenn sie bei jedem Pfotenstoß leicht zusammenzuckte, konnte sie ihre Haltung bewahren und strauchelte nicht so leicht wie noch kurz zuvor. Als Junge hatte sie oft mit Blattpfote gespielt wie man kämpfte, doch diese Übung hatte rein gar nichts mit dem wilden Gehüpfe und dem großen Buckel zu tun, den sie damals verwendet hatten um vor ihrem Gegner Eindruck zu schinden. Hummelpfote hatte mehr das Gefühl, dass je ruhiger sie war, desto stabiler sich ihr Körper anfühlte. Ob sie es schaffte in einer wirklich gefährlichen Situation die selbe Ruhe zu bewahren, konnte sie schwer einschätzen. Die orangene Kätzin wusste, dass sie ängstlich war und allein die Vorstellung, ein großer Kater würde sie angreifen, brachte sie ein wenig außer Fassung. Doch genau darauf würde Nebelherz sie jetzt vorbereiten, oder etwa nicht?
Mit neugierigen Bernsteinaugen beobachtete sie, wie der weißgraue Krieger ein paar Schritte zurückwich. Sie hatte geglaubt, er würde weiter ihren Stand testen, ihr beibringen, wie sie sich verteidigte doch stattdessen verlangte er, dass sie ihm zeigte wie sie ihm angreifen würde. Hummelpfote wurde bei diesem Gedanken etwas mulmig zumute. Niemals wollte sie eine andere Katze verletzten, wirklich niemals. Doch vielleicht würde es irgendwann einmal nötig sein und für diesen Augenblick musste sie sich wappnen.
Also holte sie tief Luft und versuchte sich krampfhaft an alles zu erinnern, was sie in der Kinderstube instinktiv geübt hatte. Der Bauch war immer schon eine bekannte Schwachstelle gewesen, doch wie sollte man ihn von dieser Position aus erwischen?

Die Augen der Schülerin huschten nachdenklich über Nebelherz Körper, analysierten ihn nahezu. Die Brust wäre am leichtesten zu treffen, doch Hummelpfote glaubte auch, dass es einfach wäre diese zu verteidigen. Sie jedenfalls würde sich wegdrehen oder ihre Pfote heben, um eine Attacke dort abzulenken. Aus dem Affekt heraus erschien ihr der Kopf also sinniger, doch Nebelherz wollte schließlich sehen, wie sie alle diese Schwachpunkte angreifen würde. Also hob sie zögerlich die Pfote und schlug anschließend mit eingefahrenen Krallen vor dem Gesicht des Katers in die Luft. Erst kam sie sich ein wenig dämlich vor, doch mit dem nächsten Schlag in Richtung Brust bekam sie mehr das Gefühl für ihre Bewegungen.
Als sie zum nächsten Schlag ausholte, trat Nebelherz jedoch einen Schritt zu Seite, was Hummelpfote zum stocken brachte. Verzögert änderte sie die Richtung ihrer Pfote und folgte seiner Bewegung, ehe sie verwirrt den Kopf schief legte.
"Uhm...ich habe eine Frage", piepste sie schließlich "Wie kann ich eigentlich so den Bauch treffen?" Auf seine Bewegung ging sie nicht weiter ein, zu abgelenkt von ihrer eigenen Unsicherheit. Machte sie das alles wirklich richtig?

Unter dem Gegner hindurch rollen? Die Ohren der kleinen Katze zuckten, während sie ihrem Mentor musterte und die Lücke zwischen seinem Bauch und dem Boden genaustens analysierte. Wenn man in einem echten Kampf bei so einen Versuch nicht schnell genug war, würde der Gegner dann nicht...? Ihr schauderte es bei diesem Gedanken. Ginge es rein nach ihren Wünschen, würde sie niemals kämpfen wollen... wirklich niemals. Doch sie wusste zugleich auch, dass es wichtig war seinen Clan zu verteidigen. Sie wollte irgendwann Maislicht verteidigen können und Blattpfote. Doch war sie wirklich stark genug dafür? Verbissen presste sie die Lippen aufeinander, während sie den Worten des weißgrauen Katers lauschte. Bei den Namen Irisblatt legte sich ihr Kopf ein Stück schief. Nur vage wusste sie, wer die kleine, braune Kätzin war - ihre äußere Erscheinung war wirklich auffällig, doch wenn Hummelpfote ewig so klein blieb, konnte sie sicher einiges von dieser Katze lernen. Doch sollte sie sie von sich aus fragen? Ihr schauderte es bei dem Gedanken, jemanden von alleine anzusprechen, doch sie glaubte, dass ihre Neugier irgendwann über ihre Unsicherheit siegen könnte. Jedenfalls wenn sie jetzt keine nennenswerten Fortschritte machte.

Nebelherz ließ sie weiter üben. Immer wieder teilte die kleine, orangene Schülerin Hiebe aus, die nichts trafen und sich dennoch immer stärker anfühlten. An den Bauch wagte sie sich dennoch nicht so richtig heran. Zu zögerlich war sie darin, die Initiative zu ergreifen und von sich aus in diesem Training etwas Neues auszuprobieren und das obwohl es ihr in den Pfoten juckte, diesen Trick den ihr Mentor ihr erklärt hatte auszuprobieren. Bevor sie jedoch den nötigen Mut zusammenkratzen konnte, folgte der nächste Trainingsschritt. Diesmal würde sie nicht nur angreifen sondern auch...ausweichen? Sie schluckte etwas verdrossen. Nebelherz würde sie angreifen? Hummelpfote war natürlich bewusst, dass der Weißgraue ihr niemals etwas antun würde und trotzdem bereitete ihr der Gedanke, angegriffen zu werden, zunehmendes Unwohlsein. Diese Gefühle ignorierend wappnete sie sich jedoch und beförderte ihren Körper erneut in einen festen Stand. Unruhig zuckte ihre Schweifspitze hin und her, als sie den ersten Angriff gegen seinen Brustkorb setzte. Der inzwischen schon geübte Schlag traf die Luft, darauf folgte ein zweiter knapp an seiner Nase vorbei. Daraufhin kam der erste Gegenangriff. Hummelpfote erschrak sich so sehr vor seiner riesigen Pfote, dass sie strauchelte und zu Seite stolperte, jedoch nicht ohne sich schnell wieder aufzurappeln und den nächsten Fake-Angriff zu starten.
Auf seine nächste Attacke war sie vorbereitet. Wie von ihm gedacht wich sie aus ihrem festen Stand hinaus zu Seite aus, war jedoch nicht bereit für seinen direkt darauffolgenden Angriff. Ein Luftzug streifte ihr Gesicht und für einen knappen Moment verweilte sie erschrocken, die Bernsteinaugen weit aufgerissen. Ihr fiel es schwer, ihre Angriffe und die Seinen zu koordinieren - es passierte zu viel. Trotzdem wollte sie nicht aufgeben und holte erneut aus, nur um wieder von einem Pfotenschlag überrascht zu werden, den sie falsch eingeschätzt hatte. In einem echten Kampf hätte man sie längst verwundet in den Graben geschleudert... Doch dafür übte sie doch, oder nicht? Dennoch sank Hummelpfotes Selbstbewusstsein mit jedem erfolglosen Versuch auszuweichen. Obwohl sie ihren festen Stand immer besser beherrschte und verstand, fiel es ihr schwer Nebelherz Bewegungen einzuschätzen und als wäre das nicht genug, wurden ihre eigenen Pfotenschläge immer liebloser bei den Versuch, sich besser aufs ausweichen und verteidigen zu konzentrieren.
Schließlich senkte Nebelherz die Pfoten und Hummelpfote tat es ihn gleich. Erschöpft blickte sie zu Boden, die Miene leicht verzogen. "Das war nicht gut, oder?", miaute sie zögerlich, die kleinen Ohren leicht angewinkelt.

Hummelpfote war erstaunt darüber, dass Nebelherz sie trotz ihrer Leistung lobte. Die Übung war also gut gewesen, für den Anfang? Sie wollte ihm gerne glauben, doch gleichzeitig ließ sie das Gefühl nicht los, dass der weißgraue sie nur lobte weil er freundlich sein wollte. Die Begründung hingegen zerriss ihre Zweifel jedoch in der Luft. Ja, sie hatte sich wirklich zielsicherer gefühlt. Mit jedem Schlag wurde die Bewegung auf natürlichere Weise von ihrem Körper ausgelöst und hatte ihren Weg zum Ziel gefunden, doch was ihr fehlte war das Multitasking. Sich auf all die Aspekte eines Kampfes zu konzentrieren, war sicher nicht leicht und auf einem richtigen Schlachtfeld würden noch viel mehr Faktoren hinzukommen, doch Hummelpfote wollte darüber noch nicht nachdenken. Nebelherz würde ihr das alles sicher irgendwann ausführlich beibringen, so dass sie keine Angst mehr haben musste aufgeschmissen zu sein.
Als er anmerkte, dass es einen Unterschied darin gab zu kämpfen um zu Verletzen und zu kämpfen um zu Beschützen, legte die kleine Kätzin neugierig den Kopf schief. Sie hatte immer geglaubt der Kampf wäre von Grund auf etwas schlechtes, unnötiges und brutales, doch wenn sie jetzt ihre Clangefährten vor sich sah die von einem gefährlichen Tier bedroht wurden, glaubte sie zu verstehen warum es manchmal notwendig war die Krallen auszufahren. Doch war sie wirklich stark genug dafür? Wenn die orangene Schülerin ganz ehrlich war, sah sie sich nicht in einer Szenerie, wo sie einem Dachs mit aufgeplusterten Fell vor die Pranken sprang um ihn anzugreifen. Sie sah sich nicht mit einem boshaften Funkeln in den dunklen Bernsteinaugen, ausgefahrenen Krallen und einen gefährlichen Jaulen auf den Lippen. "Ich würde gerne lernen, wie ich meine Clangefährten beschützen kann", miaute sie gewählt, während sie Nebelherz hinterhertrottete "Doch ich weiß nicht, ob ich jemand bin der gut kämpfen kann. Ich habe Angst vorm kämpfen." Schüchtern blickte die kleine Katze zu ihren Pfoten, die sich nach dem anstrengenden Training schwer wie Stein anfühlten. "Ich möchte nicht verletzt werden und auch nicht verletzen... Ich möchte das alle sich vertragen, verstehst du?"
Hummelpfote war im Glauben, das jedes ihrer Worte dieses Gespräch nur noch peinlicher machte. Sie war auf dem besten Weg eine waschechte Kriegerin zu werden, doch konnte sie sich überhaupt so nennen wenn sie sich davor fürchtete einfache Kriegerpflichten zu erfüllen? Wenn sie am Gesetz zweifelte, das vorschrieb das die Clans durch Grenzen getrennt waren, die es galt zu verteidigen was gleichzeitig implementierte, dass nicht jeder sich einfach vertragen konnte? Katzen waren unterschiedlich, dass hatte Hummelpfote schnell gemerkt, da sie sich selbst so unfassbar stark von allen unterschied und am meisten von Blattpfote. Dennoch wollte sie im Grundgedanken daran festhalten, dass jeder sich irgendwie nach Harmonie sehnte. Wie diese sich zusammensetzte war eine andere Frage...
Sie schüttelte diese Gedanken ab und schmunzelte verlegen. "Also...ist ja auch nicht so wichtig... ich werde mich daran gewöhnen", versuchte sie von ihren vorherigen Worten abzulenken. Schließlich würden sie jetzt das Territorium erkunden!

tbc: Zweibeinernester (Grenze)