Zweibeinernester

cf: Mooskuhle

Unruhig trappelte die kleine Schülerin neben ihrem Mentor hin und her, etwas verunsichert davon, dass er ihre Gesprächsfetzen wieder aufgriff. Komplett gegen ihre Erwartung war seine Stimme jedoch ruhig und voller Verständnis. Eine Katze die Angst vorm kämpfen hatte? Hummelpfote erwartete nicht, dass irgendjemand das guthieß, doch Nebelherz schien ihre Sorgen sehr ernst zu nehmen was sie sichtlich in ihrem Selbstbewusstsein bestärkte. Auch wenn Kämpfen zum Alltag der Clankatzen gehörte und manchmal einfach unausweichlich war, so glaubte die orangene Schülerin dem Kater, dass eine richtige Auseinandersetzung sehr selten stattfand und wenn, der Clan sich gegenseitig unterstützen würde. Hummelpfote sah sich selbst nicht an einer Front stehen mit ausgefahrenen Krallen, doch sie sah auch nicht, dass ihre Clangefährten sie in Schutz nahmen. Dafür kannte sie diese zu wenig. Nur Maislicht, Blattpfote und Nebelherz konnte sie momentan vertrauen, wenn sie wirklich ehrlich zu sich selbst war. Der Rest war ihr schleierhaft, zu unbekannt. Doch war das an diesem Punkt nicht ihre eigene Schuld?
Etwas zerknirscht presste sie die Lippen aufeinander und fixierte den Boden, doch als Nebelherz meinte sie würden zusammen an dieser Angst arbeiten, nickte sie etwas beklemmt. Und obwohl ihr Blick immer noch schüchtern war und sie kein Wort darüber herauspresste, spürte sie, wie ihr schier in diesem Moment etwas leichter ums Herz wurde weil sie wusste, dass sie und ihre Sorgen ernst genommen wurden.

Sie erreichten die Grenze im entspannten Tempo und kreuzten dabei einige Flecken Wald, die Hummelpfote noch nicht kannte. Aufmerksam blickte sie sich um, versuchte sich jeden Pfad und jeden Geruch zu merken, um irgendwann alleine wieder hierherfinden zu können, doch als sie die Zweibeinernester erreichten, stockte ihr Atem ehrfürchtig beim Anblick der komischen, glänzenden Bauten die sich etwas weiter entfernt neben dem Wald abhoben. Katzen erzählten oft genug von Zweibeinern uns Hauskatzen, doch dass ihre Konstrukte wirklich so komisch und ungewöhnlich aussahen, hätte sie nicht erwartet. Konnte man wirklich darin leben?
Sie wurde abgelenkt als Nebelherz ihr eine Aufgabe stellte. Sie nickte, spitzte die Ohren und versuchte so gut wie möglich ihre Sinne zu schärfen. Der üble Gestank nach Zweibeinern störte sie, doch vermutlich lag darin die Herausforderung dieser Aufgabe, weshalb sie sich noch mehr konzentrierte um wirklich alles wahrzunehmen was um sie herum passierte. Irgendwo roch sie eine Maus, doch sie konnte schwer einschätzen, wo genau sie sich befand und was sie dort suchte.
Mit leisen Schritten streifte sie Nebelherz hinterher und zog sich neben ihm etwas ungeübt auf den selben Ast, ehe sie erneut ihre Sinne entfaltete und etwas Neues wahrnahm. War das ein Eichhörnchen? Ihre Ohren zuckten neugierig und sie blickte sich um auf der Suche nach dem Tier, doch es war gut versteckt. "Ich rieche eine Maus", miaute sie "Doch ich weiß nicht wo sie ist. Ihr Geruch ist mit Erde vermischt. Dann habe ich noch ein Eichhörnchen gerochen doch ich sehe und höre es nicht. Vielleicht ruht es sich in einem Baum aus?"
Fährten lesen war für die kleine Katze relativ neu. Es würde bestimmt etwas brauchen, bis sie wie automatisch den Standort der Gerüche ausmachen konnte, doch für jetzt musste sie sich nochmal mehr anstrengen. Sie gab ihrem Mentor ein Signal mit der Schweifspitze, damit er kurz mit der Auflösung wartete und fixierte erneut ihre Sinne, doch diesmal nur auf die Maus. Es war relativ windstill. Wenn sie sich nicht täuschte kam der Geruch von links. Hatte die Maus sich unter dem Schnee verbuddelt? "Ich glaube der Mausgeruch kommt von links", miaute sie schließlich "Aber ich bin mir nicht sicher. Der Zweibeinergeruch stört mich." Entschuldigend neigte sie den Kopf, auch wenn sie bereits wusste, dass ihr Mentor ihr bestimmt nicht böse sein würde.

Zwei weitere Gerüche?
Hummelpfote blinzelte überrascht, nickte dann jedoch und versuchte sich erneut genauer auf ihre Umgebung zu konzentrieren. Der Mausgeruch war am stärksten und übertönte für ihre ungeschulte Nase fast alles, was weiter entfernt war. Doch wenn sie sich richtig besann war da noch etwas, gar nicht mal so weit weg, wie sie es zuerst vermutet hätte. Ihre orangenen Ohren spitzten sich, denn ihr fiel das Hören leichter als das Riechen und dann nahm sie es wahr. Rascheln von Federn, nur ein paar Baumkronen entfernt. "Ich höre noch einen Vogel", erklärte sie vorsichtig und deutete mit der Schweifspitze in die entsprechende Richtung. Mehr erkannte sie jedoch nicht.

Als Nebelherz sie schließlich zu Jagd aufforderte, weiteten sich die Bernsteinaugen der kleinen Schülerin. Zuvor waren sie noch nie gemeinsam jagen gewesen. Sie kannte die Grundlagen nur vage und es machte die Schülerin zunehmend nervös, es ohne jegliche Vorbereitung auszuprobieren. Was, wenn sie versagte und das wertvolle Beutestück floh? Sie schluckte schwer, versuchte jedoch ihre Unsicherheit so gut es ging zu verbergen und sich selber ein wenig anzufeuern. Wenn sie sich Mühe gab, konnte sie es schaffen. Doch wie tötete man eine Beute? Biss man in den Bauch? In den Nacken?
Ihre Schweifspitze zuckte angespannt, als sie Nebelherz einen nervösen Blick zuwarf und im Anschluss vorsichtig nickte. Wie in einem Film ratterte das letzte gemeinsame Training in ihrem Kopf rauf und runter - das Jagdkauern, die Anspannung in ihren Gliedern, das klettern. Sie wusste, dass sie bei Letzterem vermutlich noch nicht agil genug war. Sie konnte sich noch nicht wirklich schnell bewegen, da ihr die Kraft fehlte.
Ihre Schuld. Sie hätte mehr üben sollen, doch zum Glück ließ Nebelherz ihr die Wahl, weshalb sie von dem Ast hinunter auf den Boden glitt und der Fährte der Maus folgte.
Mit leisen Schritten, vielleicht etwas übervorsichtig, schob sie ihren Körper durch das eisige Dickicht und zuckte bei jedem Knirschen des Schnees merklich zusammen. Zwar konnte sie sich schon denken, dass der dichte Schneefall ihren Geruch und die Lautstärke ihrer Schritte dämpfte, doch sie hatte trotzdem Angst das kleine Tier auch nur ein wenig in Alarmbereitschaft zu versetzen, da es ihr ansonsten entwischen würde. Deshalb fiel sie relativ früh in das geübte Kauern und kroch nun noch langsamer und noch leiser voran, ohne auch nur daran zu denken die Anspannung für etwas mehr Bewegungsfreiheit fallen zu lassen. Hummelpfote wollte bereit sein für ihren ersten Fang. Sie wollte losspringen können, wenn auch das kleine Tierchen sich bewegte, wollte es fangen und... beißen? Warum war alles in ihrem Kopf plötzlich so wirr und durcheinander? Sie wusste nicht einmal, wie sie die Maus richtig packen sollte, fast so, als hätte sie die ganzen spielerischen Einheiten mit dem Moosball in der Kinderstube völlig vergessen.
Ein tiefer Atemzug holte sie zurück zu ihrer Aufgabe. Die Maus nagte immer noch seelenruhig an einer vereisten Wurzel und hatte wahrscheinlich weniger Sorgen in ihrem winzigen Hinterstübchen als Hummelpfote schier in diesem Moment, obwohl sie definitiv mehr befürchten musste. Da erreichte die orangene Schülerin sie endlich. Nah genug spannte sie ihre Hinterläufe durch und machte dann einen unbeholfenen Satz in das Gestrüpp hinein, so dass man über den Schnee hinweg nur ein Knistern und Knacken vernahm. Die Maus quietschte laut, als Hummelpfote sie mit ihren Krallen schlug, doch bevor die Kätzin sie im Griff hatte verschwand sie blitzschnell im Unterholz und hinterließ nicht viel mehr als einige rote Tropfen auf weißen Schnee. Zerknirscht verzog Hummelpfote das Gesicht. Hatte sie es wieder vermasselt?

tbc: WoC-Lager